Nach den Wahltagen 24.09. und 08.10.2017
08.10.2017 - die Wählerin, der Wähler hat entschieden - in Deutschland und Königs Wusterhausen
Die Wähler haben entschieden und als Demokrat akzeptiere ich das Ergebnis – sowohl das Bundestagswahlergebnis als auch das Ergebnis der Bürgermeisterwahlen in Königs Wusterhausen.
Daher geht mein Glückwunsch an Swen Ennullat zu seinem eindeutigen Wahlergebnis. Ich wünsche mir, dass nun endlich Schluss ist mit Halbwahrheiten, Unterstellungen und dem unsäglichen Schmutz, der sich in den letzten Wochen über unsere Stadt ergossen hat.
In beiden Fällen entspricht das Ergebnis nicht meinen Vorstellungen. Aber enttäuscht über die Ergebnisse bin ich nicht. Enttäuscht bin ich (wenn überhaupt) über meine Fehleinschätzung über die Situation in Deutschland – und auch in Königs Wusterhausen.
Bevor ich meine Fehleinschätzung beschreibe, meine ich, dass Deutschland sich nicht in einer gesellschaftlichen Situation wie 1933 und vor der Machtübernahme durch Faschisten befindet.
Von den fast 62 Millionen Wahlberechtigten sind rund 47 Millionen Menschen zur Wahl gegangenen und lediglich 12,6 % der Wähler (rund 5,3 Millionen) haben eine Partei gewählt, die ich aus vielen Gründen nicht gut für unser Land sehe.
Was ich falsch eingeschätzt habe:
Viele Menschen heute haben viele Werte von gestern nicht mehr.
„Lieber jeden Tag Trockenbrot als nur einen Tag Krieg“ sagten mir Menschen, die den Krieg erlebt hatten. Ich bin Jahrgang 1953.
Jene Menschen, die bis 1945 in Deutschland lebten, ordneten sich nach 1945 verschämt den jeweiligen Doktrinen unter – und hatten doch Prägungen von vor 1945 in sich.
In der DDR aufgewachsen war Antifaschismus für mich eine Staatsdoktrin, die ich akzeptierte und mich prägte. Kriegstreiber und Faschisten saßen im Westen – lange Zeit glaubte ich das ungeprüft.
Erst in den letzten Jahren der DDR stellte ich fest, dass hier der Antifaschismus nicht bewältigt wurde. Dies formulierte ich 1988 in einer Diskussion mit Schriftstellern in Schwerin am Rand eines von der FDJ organisierten Zentralen Poetenseminaren.
Nach der Wende 1989 stand ich, wie auch die meisten Menschen 1945, vor den Trümmern meiner Überzeugungen. Ich musste konstatieren, dass ich mich nicht im Konsens mit den meisten Menschen der DDR befunden hatte.
Im vereinten Deutschland gab es im Osten neben Biografiebrüchen und der Notwendigkeit kritischen Hinterfragens des eigenen Denken und Tuns, vor allem neue Werte, mit denen sich die Menschen auseinandersetzen mussten.
Im Crashverfahren mussten sie sich mit Praktiken abfinden, die die Deutschen in Westdeutschland längst schon kannten. Manche Ossis zahlten dabei viel Lehrgeld.
Letztendlich erlebten viele nach Verlust von Arbeit und vielem Vertrauten auch, dass ihre Lebensleistung selbst 27 Jahre nach der Wende in einem der reichsten Länder der Welt nicht wie die ihrer westdeutschen Brüdern und Schwestern anerkannt ist.
Im Osten wurde die Abgehobenheit der Eliten besonders deutlich wahrgenommen. Regierungsentscheidungen orientieren sich für viele Wähler nicht an den Bedürfnissen der Menschen.
Nach den Feiern zur Vereinigung von Ost- und Westdeutschland kam der Kater und später eine Verweigerunghaltung der Menschen, die sich u.a. in geringen Mitgliederzahlen der Ostparteien und dort auch der bis 2017 in niedriger Wahlbeteiligung zeigt.
Letztendlich begannen jene, die sie nicht vertreten fühlten, die demokratischen Rechte u.a. auf freie Meinungsäußerung, Demonstration und Gründung von Vereinigungen und Parteien zu nutzen. Obwohl es bei den meisten Menschen eine gewisse Scheu gab, sich den Republikanern oder der NPD anzuschließen, schaffte es die NPD in einige Land- und Kreistage oder Kommunalvertretungen.
Neonazisdemos und Gegendemos häuften sich vor allem in Ostdeutschland.
Letztendlich traten Pegida und AfD auf die politische Bühne und sie lernten, wie man auf sich aufmerksam macht. Sie werden nicht nur wegen der elektronischen Medien immer stärker wahrgenommen.
Meinungs- und Demonstrationsfreiheit werden genutzt, um Widerspruch zum "etablierten System" laut und spektakulär zu artikulieren. Es geht nicht mehr um "Trockenbrot" aber um das Gefühl vieler Menschen.
Sie fühlen sich nicht ernst und wichtig genommen. Häufig erlebter Formalismus, manchmal unnötige verwalterische "Konsequenzen" und übermächtige Rechtsanwälte machten sie oft hilflos.
Die klassischen Medien und die "Öffentlichrechtlichen" werden für sie zu "Lügenpresse". Obwohl sie sich als Korrektiv verstehen, gehören diese zum doch zum Etablissement, rennen dem Spektakel der "Privatrechtlichen" hinterher und sind in der Hatz nach dem "-sten" Attributen zunehmend Verlierer.
Was aber ist für die Menschen wichtig, da es doch nicht mehr um "Trockenbrot" geht?
Nach dem Wahldebakel der CDU/CSU und der SPD und Wahlergebnissen der AfD wird analysiert woran es lag.
Das es daran liegen könnte, dass Menschen sich im oben beschriebenen Sinn nicht ernstgenommen fühlen, sie wahrnehmen, dass es lediglich um ihr Kreuz auf dem Wahlzettel geht und manche Wahlversprechungen sich schnell als Versprecher herausstellen, kommen viele Politiker nur kurz nach erwachen aus der ersten Schockstarre.
Und schon geht es weiter im bekannten Trott und auch mit Spektakel...
In Bezug auf die Situation in Königs Wusterhausen halte ich mich aus konkreten Gründen derzeit zurück. Viele wissen warum. Das ist kein Kneifen - aber es gibt Dinge, die das verhindern.