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Vater - Mutter - Kind

 

Vorbermerkung zu den "pädagogischen" Texten

 

Kinder sind kein Eigentum der Eltern.
Oft zu selbstverständlich sagt Mutter oder Vater „MEINE Tochter“ oder „MEIN Sohn“.

 

Diese besitzbezeichnende Floskel findet Anwendung aus Verärgerung („Natürlich musste MEIN Sohn bei diesem Unsinn mitmachen“) oder voller Stolz („MEINE Tochter hatte das beste Zeugnis der Klasse“), aber sagt nichts über die Eltern-Kind-Beziehung aus.

 

„MEIN Sohn“ sagt der Obdachlose, wenn er über seine gescheiterten Familienverhältnisse erzählt. Der Manager zuckt nach einem längeren Telefonat mit den Schultern und denkt: „O o, MEINE Tochter!“

 

Um es vorweg zunehmen: ich werde in allem auf der Seite des Kindes stehen. Denn es kann nicht beeinflussen, ob die Eltern sich verstehen und auf Lebenszeit zusammenbleiben, ob Oma oder Opa eine autoritäre „Präsidentschaft“ ausübt, ob die Familie in Wohlstand badet oder über Secondhand materielles oder bei der "Tafel" Essen beschafft werden muss und so weiter…

 

Das Kind kann für alles nichts! Es hat keine Schuld und keine Verdienste.

 

Das Kind erlebt wie auch die Erwachsenen alles nur einmal zum ersten Mal.

 

Aber es kann - im Gegensatz zu den Erwachsenen - nicht auf Erfahrungen zurückgreifen.

 

Seine Rechte werden durch die Eltern oder Beauftragte (Erzieher, Lehrer …) nicht nur wahrgenommen sondern auch eingegrenzt

Die Eltern sind es, die immer mehr als das Kind wissen und sie bestimmen alles was das Kind betrifft - aber insbesondere, ob sie liebevolle aufmerksame Eltern für das Kind sind.

 

Alles geht noch relativ unkompliziert für die Eltern vonstatten, solange sich die Kinder nur aus kleinkindlichem Trotz der elterlichen Autorität verweigern.

Dieser Trotz wird oft mit Gewalt gebrochen oder - besser - ignoriert.

 

Ansonsten gehen die Mädchen und Jungen artig zur angegebenen Zeit ins Bett, müssen möglicherweise noch der unangenehm riechenden Tante Angelika den befohlenen Gutenachtkuss geben und ziehen am nächsten Morgen die hingelegten Sachen widerspruchslos an.

 

Eine wichtige Erfahrung aber haben die Kinder sehr schnell gemacht:

Wenn sie ‚lieb sind’, dann können sie bei Eltern und anderen Erwachsenen fast alles erreichen;

‚Na gut, eine Viertelstunde darfst du noch aufbleiben’,

‚eigentlich bist du dafür noch zu klein, aber weil du heute so artig warst…’

oder gar

‚ich mag zwar Petzen überhaupt nicht, aber es war gut, dass du mir das über deine Schwester erzählt hast’ – ob es denn auch richtig war sei dahin gestellt.

Anders wird es, wenn Kinder Überzeugungen entwickeln und beginnen, Autoritäten in Frage zu stellen.

Nun wird es für die Eltern weitaus schwieriger. Ihre bisherige Funktion als „Dienstleister“ für Essen, Trinken, Kleiden, Wohnen und „Kuschelmaschine“ ändert sich radikal.

Am schmerzlichsten wird oft Letzteres vermisst.

Spätestens ab dem elften Lebensjahr sollten sich die Eltern auf einen „Rollenwechsel“ einstellen. Das gilt für jede Mutter, jeden Vater oder Beauftragten.

Die wenigsten Mütter und Väter haben eine pädagogische oder gar psychologische Vorbildung.

Eine Forderung nach „Eltern-TÜV“ vor Zulassung einer Schwangerschaft – wohl möglich mit ASU – würde wohl zu Recht nur Kopfschütteln und den hämische Hinweise auf missratene Lehrerkinder zur Folge haben.

Wenn man sich aber VORHER auf den „Rollenwechsel“ einstellt und sich nicht von den eigenen Kindern überraschen und in Zugzwang bringen lässt, dann können Eltern und Kinder nicht nur viel Energie sparen, sondern die interessanteste Phase der Eltern-Kind-Beziehung mit großem Gewinn erleben.

Als Vater zweier inzwischen erwachsener Söhne und jemand, der viele Jahren in der Jugend- und Jugendsozialarbeit aktiv war, will ich an ausgewählten Beispielen Denkanstöße für die neue Rolle geben, die Eltern als Mutter oder Vater von vorpubertären oder pubertären Mädchen oder Jungen zugewiesen bekommen.

 

Da ist er nun: der Begriff der PUBERTÄT.

 

Allzu oft wird dieser fälschlicherweise auf das Erwachen der Sexualität reduziert.

Spätestens seit Sigmund Freud weis man von der kindlichen Sexualität.

Weil aber die Sexualität in der Pubertät nur eine wenn auch bedeutende Komponente ist, werde ich lediglich auf die diesbezüglichen Verunsicherungen der Mädchen und Jungen und der Eltern eingehen.

 

Weder Zeitpunkt noch Reihenfolge oder Intensität jeweiliger Ereignisse lassen sich vorher bestimmen.

Aber jedes ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass eine Zeit erhöhten Gesprächsbedarfes auf sie zukommt.

 

© Günter David, 27.08.2010

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