top of page

"Wer hat Angst vor'm schwarzen Mann..."

25.05.2021

Als Kinder spielten wir ein Spiel.

Ein „Fänger“ wartete an einer Linie, die anderen Kinder standen zehn Meter entfernt. Der Fänger rief: „Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?“ – Die Kinder antworteten laut „Niemand!“ – „Und wenn er kommt?“, drohte der Fänger. Die Kinder riefen übermütig zurück „dann kommt er eben“ und rannten los, um die zur anderen Linie zu gelangen. Der Fänger versuchte ein Kind fest zu halten, das dann den Fänger machen musste. Oft spielten wir bis es dunkel wurde.

Ich verstand damals nicht, was sich hinter dem Spiel verbarg. Der „schwarze Mann“ war wohl jemand, vor dem man sich fürchten sollte. Aber da ich nicht weiter fragte und meine Eltern in ihrer Erziehung auf Kinderschreckfiguren verzichteten blieb mir wohl Angst vor schwarzen Menschen erspart und ich entwickelte Neugier auf „anderes“ und „andere“.

Als ich etwa elf Jahre alt war besuchte uns zu Hause eine Frau, die in den fünfziger Jahren in die USA ausgewandert war und nun Verwandte und Bekannte besuchte. Sie war nicht schwarz aber eben anderes. Ich saß auf dem Teppich und hörte ihren Erzählungen zu. Aufgewühlt sprach sie von der Ermordung Kennedys. Sie habe gesehen, dass selbst die „Schwarzen“ auf den Straßen geweint hatten.

Auf die vorsichtige Frage einer Tante, wie denn die „Neger“ so seien, antwortete sie lapidar ins uckermärkische verfallend „wie anner Minschen ook“ und redete weiter über die große Trauer in Amerika.

Später sagte ich zu meinem Vater, dass ich auch mal einen „Neger“ sehen möchte. Er zuckte mit den Schultern: „Wootoo? Hesst doch hört: de sinn wie anner Minschen ook.“ Bevor ich weiter fragen konnte erklärte er mir, dass er nach dem Krieg in der Gefangenschaft welche gesehen hatte, und da gab es wie unter den Weißen gute und schlechte Menschen.

Als 1968 Martin Luther King ermordet wurde war ich gerade fünfzehn Jahre alt geworden, in mitten altersspezifischer Irritationen, die durch die Ereignisse in der Tschechoslowakei, den Studentenunruhen in Westeuropa und eben diesen Mord verstärkt wurden. Menschen mit anderer Hautfarbe hatte ich bis dahin nur im Fernsehen gesehen.

Inzwischen habe ich viele andersfarbige Menschen kennengelernt, mit ihnen geredet, Spaß gehabt und vieles wahrgenommen, ohne dass ich mich an die erste Begegnung erinnere – offensichtlich war die Hautfarbe nicht wichtig.

In dieser Zeit nun als Rentner helfe ich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe insbesondere Kindern und Jugendlichen. Mit einem fröhlichen „bunten Kindergarten“, die Mädchen und Jungen sind im Alter von 12 bis 18 Jahre, mache ich viele Aktionen. Es ist schon – Verzeihung – „geil“, wenn man mit so einer bunten Truppe durch die Gegend fährt und von anderen Deutschen heimlich beobachtet wird, ob bei Exkursionen auf die Förderbrücke F60 oder am Ostseestrand während einer Ferienwoche.

Zuerst war ich unsicher, ob man mit den Kids in Deutschland unbefangen auf Tour gehen kann und hatte bei einer historischen Tour durch Potsdam mit fast 40 Mädchen und Jungen „körperlich Sicherheit ausstrahlende“ deutsche Jugendliche dabei. Manchmal wird man angesprochen und ich lasse die Kids antworten.

Nur einmal wurde „merkwürdig“ reagiert. Als wir während einer Tour in meiner Geburtsstadt Prenzlau auf dem Marktplatz vor der Marienkirche eine Pause machten kamen uns zwei angetrunkene Männer entgegen. Als sie uns bemerkten, stutzten sie und einer nuschelte „Dat iss wohl’n Integrationsprojekt“ und verzog angewidert das Gesicht.

Ich weiß nicht warum, aber ich lachte den Mann an und sagte launig: „Genau! Sie sind ja ein richtig kluger! Dass sie das erkannt haben! Glückwunsch!“ Beide Männer zuckten kurz aber verschwanden wortlos. Als sie weiter weg waren brabbelten sie etwas. Die Kids meines „bunten Kindergartens“ grinsten und sagten: „das war cool“.

Gestern war ich in Luckenwalde. Dort gestaltete das Jugendforum der Partnerschaft für Demokratie im Teltow-Fläming eine Aktion in Erinnerung in Erinnerung an den vor einem Jahr in Minneapolis (USA) von einem Polizisten getöteten Afroamerikaners George Floyd mit einer Graffitiaktion (dazu ein Bericht auf einer anderen Website HIER).

Von da fuhr ich weiter nach Luckau, wo eritreische Menschen den 28. Jahrestag der Unabhängigkeit ihres Heimatlandes Eritrea von Äthiopien feierten. Sie feiern die Unabhängigkeit obwohl sie von dort fliehen mussten, weil die Situation für sie höchst lebensgefährlich ist.

Demnächst werde ich etwas über eritreische Menschen schreiben – über den „Bunten Kindergarten“ gibt es oben etwas im Kopfmenü unter Schlüsselkinder oder HIER.

Die Slideshow zeigt Fotos von verschiedenen Projekten, die ich mit Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer Hautfarbe gestaltet habe.
> KLICK
 auf das Foto vergrößert <

bottom of page