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vor einer Reise nach Florenz

Morgen fahre ich für ein paar Tage nach Florenz. Ich frage mich, ob ich die Mütze aufsetzen sollte…

Vor ein paar Tagen bin ich mit der Mütze „Seenotretter“ bei einer kleinen Party erschienen. Jemand fragte mich, was ich da für eine Kopfbedeckung hätte. Ich erklärte, dass es ein Geschenk vom Cousin meiner Frau sei, der auf einem Seenotrettungsschiff in der Nord- und der Ostsee unterwegs sei.

Jemand meinte lachend: „Zum Glück nicht im Mittelmeer vor der libyschen Küste.“

Ich reagierte nicht darauf. Das Gespräch drehte sich schnell wieder um andere Themen.

 

Zu Hause habe ich über Argumente für und gegen die Seerettung von Flüchtlingen im Mittelmeer nachgedacht.

Einige erklären, dass es ein Gebot der Humanität und auch konsequente Anwendung des Seerechtes sei, Menschen, die auf See in Not geraten – auch durch geschleuste Flucht – zu retten.

Die andere Seite argumentiert, dass sie sich selbst in Gefahr gebracht hätten und in dem man sie rettet, weitere Menschen zur Flucht animiere. Deshalb müsse die Seerettung unterbleiben.

Der letztbeschriebe Standpunkt geht wohl davon aus, dass „wenn genügend Menschen ertrinken, sich weniger auf den Weg machen“.

Für mich ist dies ein Todesurteil ohne Richterspruch.

Ich suchte Antwort auf die Frage, ob die Anwendung der Todesstrafe zur Verringerung von Morden oder anderen Gewaltverbrechen führt?

Wirklich belastbares fand ich nicht, welches belegen würde, dass es in Ländern mit dieser rigorosen Form der endgültigen Bestrafung, weniger schwere Straftaten als in Ländern ohne Todesstrafe gibt.

Wie verhält es sich mit dem Argument, dass die Menschen ja wissen, dass sie auf diesen seeuntauglichen Booten umkommen können und es sie deshalb abschrecken müsse, wenn sie wüssten, dass sie niemals gerettet werden würden?

Darf man fragen, ob das vergleichbar ist mit der Gefahr, an Grenze der DDR erschossen zu werden, wenn man die DDR zwischen 1961 bis 1989 unerlaubt verlassen wollte?

Manchmal wird argumentiert, dass es sowieso nur die „Abenteurer“ seien, die sich aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg machen und die wirklich Armen und Bedürftigen zurück bleiben.

Darf man fragen, dass jene, die die DDR-Grenze überwinden wollten, nur die „Mutigen“ waren – die anderen eben die „Feigen – und jene es wegen der glitzernden Schaufenster des Westens taten?

Ich kann auf Grund meiner Kontakte zu Menschen, die als Asylbewerber in Unterkünften im Landkreis leben müssen, bestätigen, dass einige sich aus Gründen auf den gefährlichen Weg gemacht haben, die für uns hier im satten Europa oft nicht nachvollziehbar sind.

Es gibt einige „Glücksritter“, die es vielleicht auch nicht nötig gehabt hätten (wer darf hier richten…), aber die meisten hatten mehr als gute Gründe.

Ich sehe, dass manche Menschen nach der langen Zeit, die nun hier in Deutschland wegen fehlender Entscheidungen „geduldig“ warten bis über sie entschieden und ggf. in unser „durchgestyltes“ System „eingepflegt“ werden, sich in der „sozialen Hängematte“ eingerichtet haben.

Doch wer ist dafür verantwortlich?

Sicher lässt sich populistisch alles ausschlachten. Dabei wird Menschenwürde verbogen und ohne die Geschichten der Menschen zu kennen, verurteilt.

Darf man Messerstechereien und Vergewaltigungen, die von hier gestrandeten Menschen verübt werden, anderes betrachten als die Verbrechen „deutschstämmiger“ Menschen?

Ich  meine, dass es mit der gleichen Waage durch Justitia gewogen werden muss. Aus gutem Grund sind deren Augen verbunden.

Darf man sich, ob nun durch mediale Darstellungen oder durch die ständig lauter werdenden Flüsterpropaganda in sozialen Medien befeuert, einem diffusen „Unsicherheitsgefühl“ hingeben?

„Man hört doch, es wird immer schlimmer!“

Ist das wirklich so?

So, nun habe ich gepackt. Morgen fahre ich, um unschätzbares Welterbe anzuschauen – mit welcher Mütze weiß ich noch nicht.

21. Juli 2019

Nachbemerkung:

Ich bin mit der Mütze gefahren!

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