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Franziskus, Marx und die wilden Pferde

 

27.11.2013

 

Die Vita des Franziskus mit Flecken auf seiner öffentlich gemacht bescheidenen weißen Leinenkutte interessieren mich wenig.

Er bekleckerte sie vor Jahren in Argentinien. Es wurde kurz vor seiner Wahl zum Papst thematisiert – nun nicht mehr.
Sympathisch: er fährt einen alten Fiat und wäscht Straftätern die Füße.


Nun hat er mehrseitig verlesen lassen, wie die neue Kirche aussehen sollte. Auch das interessiert mich nicht. Mögen sich jene darum sorgen, die sich überirdisch bestimmt fühlen.


Ich wurde hellhörig, als Medien schwadronierten, dass Papst Franziskus den Kapitalismus kritisiere und prompt einige an Karl Marx und seiner Kritik am Kapital erinnerten.


Mühsam stolperte ich durch das Internet, um mehr authentisches zum Apostolischen Schreiben des Franziskus zu erhalten und erfahre, dass es ein „Abrogatio”, die Aufhebung bestehender Lehren sei, so schimpft einer.
„Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung”, „Nein zur neuen Vergötterung des Geldes”, „Nein zu einem Geld, das regiert, statt zu dienen” und „Nein zur sozialen Ungerechtigkeit, die Gewalt hervorbringt” kann man lesen.


Aber man kann auch lesen, dass „das Konklave sei gut gewesen, weil es vom Heiligen Geist geführt wurde, jetzt aber müssten die Kardinäle dem neuen Papst mal dringend erklären, wo es langgeht..”.


Das alles klingt spektakulär, weil es sich um eine Institution handelt, die trotz Verbrechen, Kriege, Lügen und Geheimniskrämerei hunderte Millionen Menschen in ihren Bann gezogen hat.


Ich empfinde nichts negatives gegen Menschen, die an etwas übersinnliches glauben. Niemand noch so „aufgeklärt” hat ein Recht, sich über diese lustig zu machen.


Aber was ist nun wirklich interessant:


Franziskus spricht von einer „verbeulten Kirche”, die ihm lieber sei als eine „die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist”.


Also, mir ist egal, ob die Kirche verbeult oder bequem ist.


Nicht egal ist mir, dass unsere Welt immer stärker verbeult wird. Verbeult, weil das Prinzip „Höher, Schneller, Weiter, Mehr, Größer” selbst auf die Gefahr des Untergangs zum Grundsatz erhoben ist.


Huch aber auch:  auf die Gefahr des Untergangs – so ähnlich hatte schon der olle Marx den Kapitalismus beschrieben…


Nun sagt der Franziskus sowas ähnliches? Wer könnte wohl Angst bekommen? Die Heuschrecken, die NSA, Tebartz-van Elst oder Merkel, Gabriel und Seehofer? Oder gar Obama und Putin?


Vor der Wende habe ich einmal von einem Mitglied der damaligen Regierung Kohl – und wirklich nur einmal – einen wichtigen Gedanken gehört: Er sprach von einer Philosophie des Verzichtes…


Heute spricht er davon nicht mehr sondern versucht Banken zu retten – mit dem Motiv, dass wir hier in Deutschland sonst unseren Wohlstand verlieren würden.


Da kommt mir das Bild von den Urpferden in den Sinn, die auf einen großen Abhang zurasen. Nur die Pferde an der Spitze sahen den Tod vor Augen und wollten umkehren. Sie konnten es nicht, weil die nachrückenden sie voran und in den Abgrund drängten.


Ob möglicherweise die letzten der Herde noch abbremsen und überleben konnten lässt sich heute nicht mehr feststellen. Überliefert sind die versteinerten Gebeine am Boden des Abgrunds in Frankreich.


Franziskus wird 73. Ich wünsche ihm ein langes Leben!

 

© Günter David, 2013

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